Israel vs. Hisbollah: Im Schatten von Gaza eskaliert ein weiterer Konflikt
Seit rund zehn Monaten tobt der Krieg in Gaza. Aber es ist ein anderer Konflikt, der droht, die Region in einem Großkrieg versinken zu lassen. Die Gefahr geht von der islamistischen Miliz Hisbollah aus, die den Norden Israels mit Raketen und Drohnen beschießt und die die droht, den Libanon und den Jüdischen Staat gleichermaßen in einen neuen Krieg zu stürzen.
Am Morgen des 21. August feuerte die libanesische Terrormiliz Hisbollah eine große Salve Raketen russischer Bauart auf den Norden Israels ab. Die Angriffe konzentrierten sich auf den kleinen Ort Katzrin, dessen Einwohner dem monatelangen Beschuss standgehalten hatten und die bisher nicht evakuiert wurden.
„Meine vier Kinder lagen am Boden, und auf einmal spürte ich das Donnern der einschlagenden Raketen. Das ganze Haus hat gewackelt. Und ich dachte, dass ich mich vielleicht hinlegen sollte – auf meine Kinder – sodass, sollte eine Rakete in unser Haus einschlagen, ich getroffen werde und sie sicher sind.“ Gital wirkt auch einen Morgen nach dem massiven Angriff noch unruhig. Die Mutter von vier Kindern bedeckt ihr hochgestecktes Haar mit einem leichten Tuch. Während sie Kaffee kocht, erzählt sie, dass in nur rund hundert Metern Entfernung von ihrem kleinen Wohnhaus ein Geschoss aus dem Libanon ein Nachbarhaus direkt getroffen haben soll.
Mindestens vier der abgefeuerten Geschosse konnte der Iron Dome, der seit 2011 die Leben israelischer Bürger vor Kurzstreckenraketen und Artilleriegeschossen schützt, am vorangegangenen Morgen nicht abfangen. Ob noch mehr Raketen ihr Ziel erreichten, ist indes unklar. Das israelische Militär hält sich bedeckt, wenn es um Schäden an militärischer Infrastruktur geht.
Vor einem der betroffenen Häuser sitzt ein älterer Mann mit weißem Bart und Basecap. Ein Teil des Vordachs seines Hauses ist abgerissen und hängt herunter, die angrenzende Palme ist niedergebrannt, und die Wände sind von Schrapnellen durchlöchert.
David, der angibt, schon seit 40 Jahren in Katzrin zu wohnen, wirkt entschlossen, als er von der Rakete erzählt, die abgefeuert worden sei, “um Zivilisten zu töten“.
Die Szenerie gibt ihm recht. Manches Eisenrohr ist von etlichen kleinen Kugeln durchlöchert, und auch eine der Wände ist übersät mit kleinen, runden Aushöhlungen, die darauf hindeuten, dass Hisbollah die Rakete mit etlichen Kugeln versehen hatte, um sie auf diese Weise noch tödlicher zu machen, als sie es ohnehin schon war.
„Wir gehen hier nicht weg. Das ist das Land Israel. Das ist unser Land“, sagt David, bevor er sich aufmacht, um in der sengenden Hitze einige Habseligkeiten aus dem jetzt unbewohnbaren Haus zu retten.
In einer nur wenige hundert Meter entfernten Straße, die von ordentlichen Einfamilienhäusern eingerahmt ist, liegt ein beißender Geruch in der Luft. Eine Mischung aus verbranntem Plastik, Holz und Benzin hat sich über die ansonsten so beschauliche Kleinstraße gelegt, durch die sich immer wieder Autos schlängeln, aus denen Anwohner ihre Handys herausstrecken, um ein Foto der Verwüstung zu machen, die Hisbollah hier angerichtet hat.
Hinter einer müde im Wind tanzenden Polizeiabsperrung befinden sich zwei Häuser. Eines davon ist als solches nur noch durch das Gerippe des Dachs zu erkennen. Am vorigen Morgen schlug hier eine Rakete ein, die mit ihrer Wucht das gesamte Haus in sich zusammenfallen ließ. Massive Wände sind umgestürzt, das Bild ist geprägt von Glassplittern, Holzresten, Steinen und allerlei Habseligkeiten, die verstreut am Boden liegen.
Auch das Nebengebäude ist unbewohnbar. Die brennend heißen Teile der Rakete, aber auch die Explosion selbst, haben es in Brand gesteckt. Und obwohl es bereits am Vortag von den örtlichen Rettungskräften gelöscht wurde, knistern die Holzbalken auch einen Tag nach dem Angriff noch verdächtig.
Zwischen all den zerstörten Gebäuden schwindet die Hoffnung auf Sicherheit und Frieden.
Das Risiko einer Eskalation hingegen wächst Tag für Tag.
Auf einen Luftschutzbunker im nahe gelegenen und seit Monaten evakuierten Ort Kiryat Shmona hat ein Anwohner in großen Buchstaben geschrieben, was im Norden Israels so viele denken: „Nur der Krieg, wenn er denn kommt, wird uns nach Hause bringen.“
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