Misstrauen die Menschen den Medien zu Recht?
"Die Medien" gibt es nicht. Dafür ist die Auswahl an Presse-Angeboten in Deutschland zu groß. Zu verdanken ist das Artikel 5 GG.
Leser weit links der politischen Mitte mögen der Zeitung "junge Welt" vertrauen. Und Menschen, die eher dem rechten Spektrum zuzuordnen sind, können sich auch weiterhin die Zeitung „Junge Freiheit“ am Kiosk zulegen.
Die Bandbreite dazwischen ist groß und deckt alle bekannten politischen Positionen ab.
Mehr als in der klassischen Papier-Presse (die heutzutage natürlich meist auch digital erhältlich ist) betrifft der grassierende Vertrauensverlust deshalb auch die Fernsehsender, speziell die öffentlich-rechtlichen.
Diese Sendeanstalten erhalten nämlich jährlich eine stolze Summe von rund acht Milliarden Euro, die die Bürger zu entrichten haben.
Damit zahlt jeder Beitragszahler in Deutschland den dritt-teuersten Rundfunkbeitrag überhaupt.
Weltweit zahlen nur die Bürger Österreichs und der Schweiz noch mehr.
Vom jährlichen Geldberg finanzieren die öffentlich-rechtlichen Sender unter anderem ihre Mitarbeiter. Bei der ARD waren es im Jahr 2020 immerhin rund 23.000 Festangestellte und beim ZDF im selben Jahr etwa 3.400.
Diese wiederum sind dann für rund ein Duzend Fernsehsender zuständig, für über 50 Hörfunksender, sie halten Chöre und Orchester am Laufen.
Auch werden große Teile der Gebühren in Spitzengehälter umgewandelt.
Rund 416.000€ erhielt beispielsweise der seit 2013 im Amt befindliche WDR-Intendanten Tom Buhrow in 2021. Seine Kollegin Katrin Vernau, Interimsintendantin des rbb, kommt im Jahr auf fast 300.000€, plus BahnCard 100, plus 1.000€ monatlicher Mietzuschuss.
Das erhitzt die Gemüter in Deutschland.
Denn klar ist: das mediale Angebot ist heute derart groß, dass es vielen fragwürdig scheint, ob es die große Anzahl an Fernseh- und Radiosender überhaupt noch braucht - und die Top-Gehälter.
Braucht es endlose Unterhaltungssendungen auf den verschiedenen Sendungen wirklich? Sollte die Allgemeinheit wirklich für zahllose Quiz-Shows, teure Sportübertragungen, Soaps, Serien und Klatschmagazine aufkommen müssen?
Vielen Kritikern wäre wohl damit gedient, wenn die öffentlich-rechtlichen Anstalten sich an den investigativen Journalismus und die Bildungsvermittlung hielten und die meist minderwertig produzierte und entsprechend reichweitenarme Unterhaltung einstellten.
Aber auch hier schwelt es unter der Oberfläche nicht nur, sondern brennt das Haus. Und das nicht erst seit Kurzem.
Denn die politische und kulturelle Berichterstattung der öffentlich-rechtlichen Sender sieht sich zunehmend Vorwürfen ausgesetzt, sie seien voreingenommen und parteiergreifend, sie agierten regierungsnah und diffamierten Vertreter von vom Mainstream abweichenden Meinungen.
Die Kritik ist generell nicht neu und nicht nur auf öffentlich finanzierte Medien zutreffend - auch bekannte Magazine wie "Der Spiegel" stehen immer wieder unter Verdacht, unausgewogen zu berichten - allerdings ist Der Spiegel ein privat geführtes Unternehmen. Das Magazin müssen Kritiker weder kaufen, noch anderweitig finanzieren.
Dabei war die Idee eines öffentlichen Rundfunks eigentlich keine schlechte. In Maßen nämlich sollte der öffentliche Rundfunk dazu beitragen, eine überparteiische und freie Meinungsbildung zu erlauben. Randthemen, die zur Willensbildung wichtig sein könnten und die, wenn Quoten der entscheidende Faktor wären, unter den Tisch fallen könnten, solle der öffentlich-rechtliche Rundfunk Sendezeit einräumen können. Ohne Sorge vor finanziellen Einbußen. Außerdem könne so ein von der Allgemeinheit finanzierter Rundfunk sicherstellen, dass die Meinungsbildung nicht dem Willen einiger mächtiger Medienkonzerne mit Eigeninteressen ausgeliefert wäre.
1971 urteilte das Bundesverfassungsgericht im 2. Rundfunkurteil so:
Der Rundfunk ist "Sache der Allgemeinheit". Er muss in voller Unabhängigkeit überparteilich betrieben und von jeder Beeinflussung freigehalten werden. (…) Die verschiedenen weltanschaulichen, wissenschaftlichen und künstlerischen Richtungen sind zu berücksichtigen.
Wo in vielen Regionen der Welt, z.B. in Skandinavien, der öffentlich-rechtliche Rundfunk stetig verkleinert wird, da wachsen in Deutschland die Rufe der Sendeanstalten und Intendanten nach noch mehr Geld. Der Hunger scheint unstillbar. Spitzenverdiener und WDR-Intendant Buhrow etwa hält die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten für unverzichtbar in einer Demokratie.
Andere Länder, andere Regeln
Kanadier zahlen beispielsweise nur rund 23€ Beitrag - im Jahr. Mit diesem Mini-Budget schaffen es die öffentlichen Fernseh- und Radioanstalten ganze sechs Zeitzonen mit ihren Beiträgen zu versorgen. Und das sowohl auf Englisch, als auch auf Französisch. Hinzu kommen Programme und Dienste in bis zu acht indigenen Sprachen.
In den Niederlanden gibt es keine Rundfunkbeiträge. Dort geht man die Sache mit offenem Visier an. Öffentlicher Rundfunk: Ja. Allerdings werden diese aus Steuermitteln finanziert, die das Ministerium für Medien zur Verfügung stellt. Laut Handelsblatt betrug der Haushalt der öffentlichen Sendeanstalten dort im Jahr 2020 rund 830 Millionen Euro.
Und in Tschechien gibt es sowohl einen öffentlich-rechtlichen Fernsehsender, als auch eine Hörfunkanstalt. Allerdings sind diese voneinander unabhängig und werden durch Beiträge bezahlt. Für 2021 wurde ein kombiniertes Budget von rund 296 Millionen Euro anvisiert - 216 Millionen Euro entfallen demnach auf die Fernsehanstalt und die verbliebenen knapp 80 Millionen Euro auf den Rundfunksender.
Der große Vertrauensverlust
Dass das Vertrauen in die Medien ganz allgemein, speziell aber auch in die öffentlich-rechtlichen Anstalten sinkt, ist mittlerweile Allgemeinwissen.
Dramatisch allerdings sind die Zahlen, die eine eine aktuelle Studie der Universität Bielefeld unter der Leitung von Prof. Holger Ziegler veröffentlicht hat.
Befragt wurden 1.582 Kinder (6 bis 11 Jahre) und Jugendliche (12 bis 16 Jahre) in Aurich, Berlin, Bitburg, Deggendorf, Herne, Köln, Leipzig, Neunkirchen/Saar, Reutlingen und Stralsund.
Ganze 75,8% gaben an, kein Vertrauen in Zeitungen zu haben. Nur minimal besser stand es da um das Vertrauen in Journalisten. 71,6% der Befragten gaben an, auch diesen nicht zu vertrauen.
Noch dramatischer waren allerdings die Angaben darüber, wie viele Kinder und Jugendliche den Medien unterstellen, absichtlich wichtige Informationen zurückzuhalten: dieser Vermutung stimmten ganze 37,9% zu. Und 32,8% gingen laut Studie davon aus, dass Medienschaffende nicht subjektiv berichteten, sondern eher ihrer eigenen Meinung folgten.
Hohes Vertrauen genießen laut Studie auch nicht die öffentlichen Institutionen. Selbst der Bundesregierung vertrauen nur 53,9% der befragten Minderjährigen. Allein der Wissenschaft (76,1%) und der Polizei (79,9%) scheinen Kindern und Jugendliche ihr Vertrauen auszusprechen.
Aber nicht nur bei Kindern und Jugendlichen gibt es Grund zur Sorge.
Der Reuters Institute Digital News Report 2022 erhebt nicht nur in Deutschland, sondern in vielen Ländern der Welt Daten zum Medienkonsum der Bürger.
Erstmalig löst in Deutschland in 2022 das Internet das Fernsehen als Hauptnachrichtenquelle (Source of news) ab. Das am meisten genutzte Onlineportal für Onlinenachrichten ist demnach t-online. Dicht gefolgt von öffentlich-rechtlichen Angeboten wie der Tagesschau, dann vom Magazin Der Spiegel. Erst auf Platz 11 finden sich die Online-Nachrichtenangebote des ZDF.
Nur 50% der Befragten gaben laut Report an, den Medien in Deutschland zu vertrauen. Nur leicht höher, nämlich 57%, war das Vertrauen in die Medien, die die befragten Teilnehmer laut Aussage selbst nutzten.
Außerdem denken nur 41% der Befragten, dass die Medien vom Einfluss der Politik und der Regierung unabhängig sind.
Zwar ist weiterhin die ARD Tagesschau das Nachrichtenmedium, dem der größte Teil der deutschen Bevölkerung sein Vertrauen schenkt, allerdings sind es auch hier ganze 33%, die der Sendung und dem Onlineangebot ihr Vertrauen explizit nicht aussprachen.
Warum verlieren die Medien an Vertrauen?
Speziell der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat sich in den letzten Jahren wenig Freunde gemacht und sich nicht selten selbst diskreditiert. Aber auch andere journalistische Medien stehen vor großen Herausforderungen und haben mit Reputationsschäden und Vertrauensverlust zu kämpfen.
Verkürzt kann man es auf fünf in verschiedenen Gewändern wiederkehrende Bilder herunterbrechen, die das Vertrauen vieler Zuschauer/Leser nachhaltig geschädigt haben.
Erstes Verfehlungsmuster
Bildhaft für viele Einzelfälle steht da einerseits Nils Dampz, Mitarbeiter der ARD, der in einem Tweet Menschen als „Ratten“ bezeichnete, die „in ihre Löcher zurückgeprügelt werden“ müssten.
Ein rauer Ton hat Einzug gehalten und tritt an immer mehr Stellen und wiederholt offen zum Vorschein. Politische Gegner zu verunglimpfen sind Taktiken antidemokratischer Regime, was für viel berechtigte Kritik gesorgt hat.
Zweites Verfehlungsmuster
Jan Böhmermann, Comedian und bekannt durch seine Sendung ZDF Neo Magazin Royale, wurde als Kämpfer für die (eigene) Meinungsfreiheit bekannt, als er sich Ende März 2016 in seiner 43. Folge mit dem Türkischen Präsidenten Erdogan anlegte. In einer selbst als Schmähkritik betitelten Pseudo-Lyrik machte er sich über das türkische Staatsoberhaupt nicht nur lustig, sondern griff tief in die Kiste der geschmacklosen, hochgradig sexuell konnotierten Beleidigungen. Die Reaktion, ebenso kleinlich wie die Schmähkritik selbst, folgte in Form einer Strafanzeige auf dem Fuße. Konkret nutzten Erdogans Anwälte den in der Konsequenz 2018 außer Kraft gesetzten § 103 StGB (Beleidigung von Organen und Vertretern ausländischer Staaten), um Böhmermann zur Rechenschaft zu ziehen. Als das Landesgericht Hamburg am 17. Mai 2016 auf Antrag Erdogans eine einstweilige Verfügung gegen Böhmermann erwirkte, antwortete dessen Anwalt lapidar nur: „Man kann auch kein Gemälde auseinanderschneiden und dann nur teilweise freigeben.“ Kunst. Freiheit des Ausdrucks. Meinungsfreiheit. Böhmermann als Speerspitze der liberalen Bewegung. Das war 2016. Einige Jahre später, im September 2021, zu Hochzeiten der Corona- und Grundrechtskrise, wirkte Böhmermann in einem Gespräch mit Markus Lanz (ZDF) und Giovanni di Lorenzo (Die Zeit) daraufhin, ausgewiesenen Fachleuten keine Bühne im Fernsehen zu bieten. Kamen der Virologe Streeck oder der Epidemiologe Kekulé zu einem anderen Schluss als Spaßvogel Böhmermann selbst, so liefen sie Gefahr, von ihm als „Spektakel“ degradiert zu werden. Cancel-Aufruf eingeschlossen.
Ich finde es schwierig, wenn man Leuten eine Bühne gibt, die eine Meinung vertreten, die man nur deswegen veröffentlicht, weil man sagt, man muss auch die andere Seite sehen. Und es gibt Meinungen, die sind so durchtränkt von Menschenfeindlichkeit oder so motiviert von Dingen die damit nichts zu tun haben, und zwar ersichtlich, dass ich mich manchmal frage, warum einige Leute bei Dir sitzen. (…) Und wenn man für den Effekt arbeitet, also für den einfachen Applaus, ohne dass jetzt, einfach in den Raum gestellt, auch ganz explizit mit Bezug zu meiner Arbeit, dann ist natürlich immer ein Risiko, dass man dann in Kauf nimmt, eben sowas wie false balance, zu riskieren, weil man weiß, es kracht in der Sendung und das so zu justieren, dass es trotzdem noch so ne Glaubwürdigkeit hat und dann eben nicht als Spektakel, was am Ende verpufft, geplant ist. Das ist so die Herausforderung, glaube ich, die man hat, wenn man aus der Unterhaltung kommt. (…) Ich möchte infrage stellen, dass das eine Kategorie ist, dass es ein schöner Effekt ist, wenn jemand erleichtert ist, dass man was positives sagt, dass das unbedingt jetzt eine sachliche Berechtigung hat (…) Aber Du sagst, der Meinungskorridor ist eingeschränkt und ich sage wo denn? Offensichtlich ist der Meinungskorridor nicht verengt. Das ist ein Gefühl. [sic!]
Das konsequente Einfordern der Meinungsfreiheit für sich selbst, für jede steile These, und sei so noch so obszön, ist Merkmal vieler Beiträge des öffentlich-rechtlichen Rundfunks geworden - gerade Böhmermanns. Genauso wie die strikte Ablehnung vieler Mitarbeiter, Menschen mit anderer Meinung eine Bühne zu geben. Jan Böhmermann hat das plakativ wie kein anderer bewiesen.
Drittes Verfehlungsmuster
In der Hochzeit der Flüchtlingskrise 2015/16 äußerten immer mehr Bürger die Sorge, „die Medien“ würden zunehmend einseitig berichten, die Regierungslinie vertreten und Menschen mehr belehren, denn informieren. Menschen in gute und schlechte kategorisieren. Die meisten Medienhäuser wehrten die Vorwürfe rundum ab und stellten die Kritiker nicht selten in die politisch rechte Ecke.
Nach Abklingen der Hochphase widmete die Otto-Brenner-Stiftung der Thematik eine Studie, die von der Hamburg Media School und der Universität Leipzig durchgeführt wurde und letztlich 184 Seiten füllt.
Am Ende zieht das Papier, das unter der Leitung von Prof. Dr. Michael Haller erstellt wurde, mehrere Schlüsse. Unter anderem besagt es, dass:
Die Untersuchung zur Frage, wer alles in den berichtenden Texten zur Sprache kommt, ergab, dass in der Kategorie der relevanten Akteure und Sprecher zwei von drei Nennungen zur institutionellen Politik zählen. (…) Fachleute und Experten, die über akute Problemfelder (…) Auskunft geben könnten, kommen praktisch nicht vor (1:100). (…) (Zusammenfassung der Studienergebnisse, Abs. 4, S. 133)
Die in zahlreichen Bundesländer- und Kreis- parlamenten vertretene AfD kommt in dieser Kategorie praktisch nicht vor (0,1 Prozent) im Unterschied zur NPD (0,9 Prozent). (Zusammenfassung der Studienergebnisse, Abs. 5, S. 134)
Thematisiert wurden Probleme auf der Vollzugsebene fast nur dann, wenn es um Gewaltakte rechtsradikaler Gruppen ging. (Zusammenfassung der Studienergebnisse, Abs. 6, S. 134)
Der journalistische Qualitätsgrundsatz, aus neutraler Sicht sachlich zu berichten, wird in rund der Hälfte der Berichterstattungen nicht durchgehalten. Insbesondere die Art und Weise, wie über die Positionierung eines Politikers berichtet wird, ist oftmals wertend und beurteilend, bei Vertretern der Opposition mitunter auch „von oben herab“. (Zusammenfassung der Studienergebnisse, Abs. 8, S. 134)
Sieben von zehn relevanten Akteuren/Sprechern gehören auch hier zur politischen Elite. Im Sinne der Indexing-These ist der virtuelle Adressat der Kommentare nicht der Leser, sondern die Politik. (…) Bis zum Spätherbst 2015 greift kaum ein Kommentar die Sorgen, Ängste und auch Widerstände eines wachsenden Teils der Bevölkerung auf. Wenn doch, dann in belehrendem oder (gegenüber ostdeutschen Regionen) auch verächtlichem Ton. Kaum ein Kommentar während der sogenannten Hochphase (August und September) versuchte eine Differenzierung zwischen Rechtsradikalen, politisch Verunsicherten und besorgten, sich ausgegrenzt fühlenden Bürgern. So dienten die Kommentare grosso modo nicht dem Ziel, verschiedene Grundhaltungen zu erörtern, sondern dem, der eigenen Überzeugung bzw. der regierungspolitischen Sicht Nachdruck zu verleihen. (Zusammenfassung der Studienergebnisse, Abs. 10, S. 135)
(…) Die Alltagswelt mit ihren Akteuren kam praktisch nicht zur Sprache, ausgenommen im Zusammenhang mit rechtsradikalen Gewaltakten. Doch auch dann wurde die Sicht der etablierten Politik und ihrer Mandanten eingenommen und durchgehalten. Der demokratietheoretisch geforderte verständigungsorientierte Diskurs war im redaktionellen Teil der drei Leitmedien im Verlauf des Jahres 2015 für uns nicht auffindbar. (…) (Zusammenfassung der Studienergebnisse, Abs. 11, S. 136)
(…) Wer Skepsis anmeldete, rückte in den Verdacht der Fremdenfeindlichkeit. (...) (Zusammenfassung der Studienergebnisse, Abs. 14, S. 137)
Sortiert man die in den Berichten der Regionalpresse zum Thema Willkommenskultur auftretenden Akteure/Sprecher nach ihrer Parteizugehörigkeit, dann fällt der hohe Anteil an monologischen Darstellungen (nur eine Partei kommt zu Wort) auf. (…) Von diskursiver Themenbearbeitung kann für das Jahr 2015 nicht die Rede sein. (Zusammenfassung der Studienergebnisse, Abs. 16, S. 137 - 138)
Annähernd 83 Prozent aller Zeitungsberichte vermittelten das Leitbild Willkommenskultur in einem positiven oder mehr positiven Sinne. Über Bedenkenträger oder Skeptiker wurde eher selten berichtet. (…) (Zusammenfassung der Studienergebnisse, Abs. 17, S. 138)
(…) Nur in seltenen Ausnahmefällen wurden abweichende Positionen wie auch behördliche Fehlleistungen untersucht oder Fachwissen eingeholt und ausgewertet oder dialogisch aufbereitet. (Zusammenfassung der Studienergebnisse, Abs. 18, S. 138)
Die in der Einführung gestellte Frage, ob es bei der Vermittlung des Flüchtlingsthemas zwischen Bundespolitikern, den Leitmedien und den Folgemedien (lokale Presse) in Bezug auf die politische Linie der Bundeskanzlerin eine Konsonanz gab, haben unsere Analysen bejaht. (…) Die Textanalysen belegen – was die Sinnfüllung des Narrativs „Willkommenskultur“ betrifft – einen hohen Gleichklang zwischen den Politiker- und den Medien- aussagen. Von daher ist die Deutung gut gestützt, dass mit dem „Framing“ des Komplexes Flüchtlingspolitik/Willkommenskultur eine spezifische Diktion verbreitet wurde, die im Frühsommer 2015 die öffentliche Meinung so stark prägte, dass abweichende Positionen nicht mehr gehört wurden. (…) (Zusammenfassung der Studienergebnisse, Abs. 19, S. 138)
Viertes Verfehlungsmuster
Im Januar 2023 übernahm Louis Klamroth den Posten des Moderators der ARD Talksendung Hart aber Fair. Der 33-Jährige Jungmoderator ist zufällig Partner von Luisa Neubauer, dem Gesicht der Fridays for Future-Bewegung in Deutschland.
Die Besetzung der prestigeträchtigen Position mit dem Partner einer der polarisierendsten Personen des politischen Diskurses unserer Zeit stellt zwar ein Problem dar, passt aber ins Bild. Im April 2020 veröffentlichten Lynn Kraemer, Daniel Tautz und Nils Hagemann, selbst Volontäre der ARD, einen brisanten Bericht. Sie hatten unter anderem den politischen Hintergrund von 150 Nachwuchsjournalisten der Öffentlich-Rechtlichen untersucht und kamen zu dem Ergebnis, dass 92,2% von ihnen für Parteien links der Mitte stimmen (Grüne: 57,1%, Die Linke: 23,4%, SPD: 11,7%). Nur drei Prozent der künftigen Journalisten wählten die CDU und nur mickrige 1,7% die FDP.
Interessant und sichtbar macht die Zahlen der Vergleich mit den Angaben von gleichaltrigen, die infratest dimap unabhängig ermittelt hat.
Dort gaben nämlich mehr als 33% an, für die CDU zu stimmen und immerhin 6% für die FDP.
Seriöser und parteiloser Journalismus, der schon heute bei den öffentlich-rechtlichen Anstalten nur selten zu finden ist, wird in Zukunft einen noch schwereren Stand haben.
Fünftes Verfehlungsmuster Der Fall des Claas Relotius hat den Feinden der Presse den Ball zugespielt und, um im Bild zu bleiben, Torwart und Abwehr gleichzeitig vom Platz geschickt.
Der mit Preisen und Lobhudeleien überhäufte Jung-Journalist Relotius, der im Laufe seiner Karriere für viele namhafte Zeitungen geschrieben hatte, stellte sich am Ende mehr als gekonnter Geschichtenerzähler, denn als Journalist heraus. Viele Details erfand er, um seinen Geschichten die richtige Dramatik und Wirkung zu verleihen. Details allerdings, die vielfach emotionale Reaktionen bei den Lesern weckten und somit zu einer Wertung verleiteten.
Sein eigener Kollege Juan Moreno war es, der Relotius, der heute als Werbetexter arbeiten soll, schlussendlich auf die Schliche kam, als die beiden zusammen in Amerika für den Spiegel an einer Reportage arbeiteten.
Als Moreno immer mehr Unstimmigkeiten auffielen, stellte er Nachforschungen an, die letztlich zur Kündigung Relotius’ und zu einem Medienskandal führten.
Am meisten gelitten aber hat nicht nur der SPIEGEL und hat auch nicht Relotius. Am schlimmsten getroffen hat es die Glaubwürdigkeit der Medienhäuser, denen vorher schon das Misstrauen bis zum Hals stand.
Anstatt Meinungspluralität herrscht bei den öffentlich-rechtlichen Sendern zunehmend ein linkes Meinungsmonopol - und das in einem Bereich, der Meinungen hintanstellen und der divers berichten sollte.
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