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  • AutorenbildTom David Frey

Jan Böhmermanns "satirischer" Mordaufruf

Böhmermann will „Nazis keulen“ lassen. Aha. Sind die schrillen Worte des ZDF-Satirikers nur ein kranker Schrei nach Aufmerksamkeit in einer ständig schneller rotierenden Spirale der medialen Hyperventilation? Oder sind sie gar nur ein Ausrutscher? Oder aber ist der Aufruf am Ende das Markenzeichen eines politischen Brandstifters, den niemand als solchen benennen will?


Superbass, 2021-09-16-Jan Böhmermann Deutscher Fernsehpreis 2021 -3858, CC BY-SA 4.0

Alle lieben Demokratie. Und natürlich wollen alle sie verteidigen. Projekte werden gegründet. Und öffentliche Gelder fließen. Unsere Werte wehrhaft zu leben, das darf den Steuerzahler gerne auch etwas kosten. Damit Demokratie aber nicht in ein Recht des Stärkeren umkippt, gibt es ein Dokument, das die Grundregeln der geliebten Regierungsform festlegt. Dieses Papier nennt sich "Verfassung".

Die Frage, die also über allem schwebt: lieben die, die vorgeben, als Verteidiger der Demokratie in die Geschichte eingehen zu wollen, auch unsere Verfassung?


Im wohl wichtigsten Dokument unserer Nation heißt es, in Artikel 2, „Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit“.


Damit ist nicht die Unversehrtheit von Menschen derselben Ethnie oder derselben Meinung gemeint. Im Gegenteil. Jeder Mensch genießt ein Recht auf körperliche Unversehrtheit. Das und nicht weniger sagt Artikel 2 unserer Verfassung.

Also sind auch – oder besonders – die Menschen zu schützen, die uns eben nicht passen. Denn alle anderen brauchen keinen Schutz, laufen sie nicht Gefahr, von uns sanktioniert zu werden.

Die körperliche Unversehrtheit der gemeinen Ex-Freundin ist deshalb Gesetz. Das verstehen die meisten. Ebenso ist es die des fiesen Vermieters, der versucht, fälschlicherweise höhere Nebenkosten abzurechnen.

Das Recht auf körperliche Unversehrtheit aber geht – geboren aus historischer Verantwortung und mit Weitblick, der es erlaubt, zu erkennen, was Freiheit bedeutet – noch weiter. Körperliche Unversehrtheit gilt sogar für Rechtsradikale. Und für Linksradikale. Und sie gilt auch für Islamisten und für alle möglichen weiteren Menschen, mit denen man nichts zu tun haben möchte.

Sie alle – wir alle – haben ein verfassungsmäßig verbrieftes Recht auf körperliche Unversehrtheit. Auf diesem wichtigen Artikel baut unsere freie Gesellschaft maßgeblich auf.


Entsprechend kann nur, wer diesen (zweiten) Artikel achtet, sich „auf dem Boden des Grundgesetzes“, befinden, was nicht zu Unrecht maßgeblich ist, möchte man an der freien Gesellschaft teilhaben. Zugegeben, dass Radikale das anders sehen, das ist nicht neu. Immer wieder müssen sie sich deshalb vor Gerichten verantworten. Wenn Rechtsradikale Ausländer verprügeln, wenn Linksradikale auf Träger einer ihnen nicht passenden Basecap einschlagen und wenn Islamisten Jagd auf Juden oder Islamkritiker machen, dann verletzen sie das Fundament, auf dem unsere Demokratie aufbaut.


Neu hingegen ist, dass es in öffentlich-rechtlich finanzierten Medien zu Aufrufen kommt, gegen ebendiesen grundlegenden Schutzartikel – zu verstoßen.

So äußerte sich der linke Moderator Jan Böhmermann, der bekannt ist für seine pseudointellektuelle Brandstiftung, die er allerdings durch das Label der „Satire“ stets legalisiert, kürzlich so: „Liebe 3sat-Zuschauerinnen, bitte nicht vergessen, nicht immer die Nazi-Keule rausholen, sondern vielleicht einfach mal ein paar Nazis keulen.“


Böhmermann ruft mit seinen Worten zum Mord auf. Das ist keine Übertreibung. Das ist eine Zusammenfassung dessen, was er gesagt hat.

Besondere Dramatik wohnt der Aufforderung Böhmermanns außerdem inne, weil im heutigen Diskurs Andersdenkende gerne als "Nazis" diffamiert werden.

Im Zweifel nennt man Kritiker der Klima- oder der Migrationspolitik „Nazis“. Oder aber Menschen, die ihren Diesel nicht hergeben wollen. Selbstverständlich sind Wähler der AfD "Nazis". "Alles Nazis".

Die inflationäre Nutzung des Begriffs „Nazi“ für alle möglichen Gruppen (die zumeist nichts mit den Nationalsozialisten gemein haben) spuckt obendrein den Opfern der Vergangenheit ins Gesicht, da sie die Gräuel derer relativiert und vergessen macht, die an Genozid und Weltkrieg die Schuld tragen.


Nun gut, einige mögen die Aufregung, die sich um das Zitat von Böhmermann in den privaten Medien bahn bricht, für reine Übertreibung halten. Sie mögen entgegenhalten, dass Böhmermann doch "nur" Nazis gekeult wissen möchte (wobei, wie wir gerade lernten, dass wirklich alle Menschen unter dem Schutz von Artikel 2 stehen, auch abstoßende Rechtsradikale). Das hieße ja, so argumentiert man dann vielerorts, dass Böhmermann nur Radikale bedrohen würde – nicht etwa Bürger der politischen Mitte.

Die folgenden Worte könnten für Enttäuschung sorgen: Leider bedroht Jan Böhmermann bei Weitem nicht nur Radikale. Denn das Wort "Nazis" hat er selbst weitläufiger ausgelegt, als jeder anständige Historiker dazu imstande gewesen wäre.

So behauptete Böhmermann vor nicht allzu langer Zeit, die CDU (und schlussendlich ihre vielen Tausend Mitglieder und Millionen Wähler) seien "Nazis mit Substanz".

Herr Böhmermann bedroht mit seinem Aufruf zur „Keulung“ also nicht etwa nur waschechte Rechtsradikale, wie man sie in Kleinstparteien wie „Der III. Weg“ finden kann. Stattdessen bedroht Böhmermann Konservative, Liberale und Rechte – und wirft sie alle in einen Topf mit Rechtsradikalen. Somit erklärt Böhmermann nicht etwa "Nazis" für vogelfrei, sondern die, die ihm politisch nicht in den Kram passen. Und die zum allergrößten Teil mit echten Nationalsozialisten nichts, aber auch gar nichts gemein haben.


Aber klar, am Ende war es – wie bei Böhmermann stets – nur „Satire“. Oder alles nicht so gemeint. Das, was man bei politisch unliebsamen Charakteren stets bemängelt, das Herausreden, nachdem die Worte einmal im Raum stehen, macht ein Jan Böhmermann mit Vorliebe.


Was aber, wenn Menschen die Hetze eines ZDF-Satirikers, der häufig nicht komisch, sondern hasserfüllt, spricht, dennoch ernst nehmen?

Und was, wenn man auf den Straßen, auf großangelegten Demonstrationen zunehmend auch auf Schilder trifft, auf denen zum Töten des politischen Gegners (typischerweise der AfD oder der Grünen) aufgerufen wird? An diesem Punkt sind wir bereits angelangt. Die Hetze, auch getragen von Charakteren wie Jan Böhmermann, verfängt. Schon heute.


Besonders traurig: Man hätte Böhmermanns Eskapaden vorbeugen können. Und ihn aus dem Programm nehmen, ebenso, wie man Rechtsradikale nicht auf Gebührenkosten ein Millionenpublikum ansprechen lässt. Denn neu ist weder seine Art, sich über den Kernaussagen des Grundgesetzes zu wähnen – abgesichert durch bestens bezahlte Anwälte –, noch seine durchaus verfassungsfeindliche Einstellung. Ein Jan Böhmermann scheint imstande, darüber zu richten, wer gekeult gehört – und wer rechtschaffen genug ist, um dem TV-Henker, der Millionen erreicht, glimpflich zu entrinnen.


So forderte der ZDF-Moderator in der Vergangenheit seinen Kollegen Markus Lanz indirekt dazu auf, Menschen das Wort zu entziehen, die nicht seiner politischen Auffassung sind. Um mündige Bürger nicht mit Gedanken in Kontakt kommen zu lassen, die ein Böhmermann ablehnt, würdigte er die Glaubwürdigkeit von ihm selbst haushoch überlegenen Experten herab. Wörtlich sagte er damals: „Ich finde es schwierig, wenn man Leuten eine Bühne gibt, die eine Meinung vertreten, die man nur deswegen veröffentlicht, weil man sagt, man muss auch die andere Seite sehen.“

Artikel 2 des Grundgesetzes scheint Böhmermann ebenso wenig zu interessieren, wie eine gelebte Meinungsvielfalt – selbst dann, wenn von Schwurblern nicht die Rede sein kann, weil der, der die "andere Seite" vertrat, nicht irgendein Russia Today Sprecher, sondern ein renommierter Virologe war. Im Gegensatz zu Böhmermann selbst.


Aber Böhmermanns Einfluss reicht weiter. Wenn es auf den Straßen des Landes zu Gewaltexzessen kommt, dann lässt ein politischer Witzeschreiber des in die Jahre gekommenen Comedians verlauten, dass man sich vor linksextremer Gewalt ganz einfach schützen könne.

"Ja, bitte wie?", mögen Sie sich besorgt fragen. „Indem man zum Beispiel kein Nazi ist“.


Wir drehen uns im Kreis.


Wenn der Chef in der Mitte-Links-Partei CDU „Nazis mit Substanz“ erkennt und später zur "Keulung" von "Nazis" aufruft, dann bleibt Mitgliedern nur noch die Flucht nach links, wollen sie nicht auf der Abschussliste enden. Vielleicht schnelle eine Mitgliedschaft bei SPD oder Grünen abschließen. Entscheidet man sich hingegen für den Verbleib in einer tendenziell konservativen, liberalen oder rechten Parteien, dann muss man, aufbauend auf Witzschreiber Sebastian Hotz' Äußerungen im Kontext der Definition seines Chefs, linksextreme Gewalt fürchten.


Wer Bürger mit abweichender Meinung vorschnell zu "Nazis" erklärt und dann zu deren "Keulung" aufruft, der scheint den Boden des Grundgesetzes schon lange verlassen zu haben. So jemand möchte wohl eher den politischen Gegner kaltstellen, als sich mit den historischen Auswüchsen des Nationalsozialismus kritisch auseinanderzusetzen.


Hinzu kommt, dass der Begriff "Keulung" einer Taktik gleicht, die Faschisten weltweit immer wieder angewendet haben, um ihre Gegner zu entmenschlichen. Denn wer von "Keulung" spricht, der nutzt ein Wort, das nicht die Tötung von Menschen, sondern die von Tieren beschreibt. Dass ein Jan Böhmermann damit auch noch Millionen Bürger in ihrer Würde angreift, sie entmenschlicht, was einem Verstoß gegen Artikel 1 des Grundgesetzes gleichkommt, das stört in öffentlich-rechtlichen Sendehäusern, die gerne von einer "wehrhaften Demokratie" sprechen, scheinbar ebenso wenig, wie die Ignoranz gegenüber Artikel 2.


Wahrhaft wehrhaft wäre es, im Namen der Einhaltung unserer verfassungsmäßigen Grundrechte, Herrn Böhmermann dieses Mal nicht davonkommen zu lassen. Sondern ihn mit rechtsstaatlichen Mitteln spüren zu lassen, dass das Verlassen des Bodens des Grundgesetzes von einer freien Gesellschaft so nicht hingenommen wird. Schon gar nicht auf Kosten der Menschen, die er einerseits bedroht und die andererseits dazu verpflichtet sind, dem streitbaren Moderatoren ein königliches Gehalt zu entrichten.


Anmerkung: dieser Artikel ist ein satirischer Beitrag. Nicht, dass ich juristische Konsequenzen zu tragen habe, die ein Jan Böhmermann nie fürchten muss.

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