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  • AutorenbildTom David Frey

Wie stehen Deutschlands Parteien zu Israel?


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Als ich im November des vergangenen Jahres in einem der Züge saß, die Jerusalem und Tel Aviv verbinden und deren Sauberkeit, Ordnung und Pünktlichkeit der Deutschen Bahn die Schamesröte ins Gesicht treiben sollten, verfasste ich eine E-Mail. Ich schrieb sie auf dem Handy. Frei heraus, ohne sie genauer zu sortieren oder thematisch auszurichten.


Die Nachricht, die ich verfasste, enthielt am Ende 11 Fragen. Für mehr reichte die Zeit nicht. Schließlich musste ich aussteigen und mich realen Problemen in Nahost widmen.


Die Fragen – und das war meine ursprüngliche Intention – sollten dem an Nahost interessierten Souverän Antworten liefern. Sie sollten bei der Wahlentscheidung unterstützen und Klarheit schaffen. Ebenso wie eine simple Vergleichbarkeit.


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Meine E-Mail landete nicht in einem Postfach, sondern in mehreren. Als Empfänger hatte ich alle im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien ausgewählt.


Wie also würden sie sich in Fragen von Terrorismus, Staatsräson und Haltung positionieren?

Welche Unterschiede würden in Fragen der Finanzhilfen für die Palästinenser sichtbar werden, die in der Vergangenheit nicht selten für Terrorpropaganda genutzt wurden oder die Budgets für den Bau von Terrortunneln erst freimachten, selbst dann, wenn sie offiziell in den Bau einer Schule flossen?

Welche inhaltlichen Unterschiede, welche Abgründe würden sichtbar werden, wenn es um die Einschätzung von Klimaikone Greta Thunberg ging? Ganz im Sinne des Stürmers, dem Hetzblatt der Nationalsozialisten, hatte diese ihre Kritik an Israel mit einem (die Welt beherrschenden) Kraken demonstriert – bevor sie dann, um es frei nach Dieter Nuhr zu sagen – zur Hamas ging.


Eine Antwort, so dachte ich, würde vielleicht nicht prompt ins Haus schneien. Eigentlich war mir das klar. Schließlich wägen die Parteien ihre Worte in Bezug auf Juden und Muslime oft genau ab, anstatt zu sagen, was sie denken. Als wären die Worte kostbare Gold-Nuggets. Jede Feinunze kann da den Unterschied machen. Vielerorts drückt man sich derart verklausuliert aus, als fürchte man, für ein falsches Wort gescholten zu werden. Gar gebrandmarkt. Wahlweise als islamophob – oder antisemitisch. Dann sagt man mit tausend Worthülsen lieber nichts.


Und so zogen die Wochen ins Land.


Ich verließ Israel und kehrte nach Deutschland zurück. Mein Postfach aber blieb stumm.

Ich kehrte nach Nahost zurück und nahm meine Arbeit wieder auf. Aber auch in dieser Zeit wollte sich mein Postfach nicht mit mehr oder weniger inhaltvollen und floskelhaften Nachrichten füllen.

Auch, als ich zu Weihnachten und Silvester wieder nach Deutschland zurückflog – wahrscheinlich zum doppelten Unmut Greta Thunbergs – waren weder der Briefkasten vor der Tür, noch mein E-Mail-Postfach, noch mein Handy mit einer Reaktion derer gesegnet, die so gerne für „mehr Demokratie“ eintreten. Die „transparent“ sein und „Menschen einbinden“ wollen. Die von „klarer Kante“ schwurbeln und sich für die „Erinnerungskultur“ selbst auf die Schulter klopfen, die sie scheinbar zu unfehlbaren Friedensbringern und Politikverstehern gemacht hat, die auf öffentlichen Bühnen gerne die Welt belehren.


Ich durchsuchte also meine E-Mails.

Es konnte doch nicht sein, dass wirklich keine der demokratischen Parteien dem Souverän Rede und Antwort stehen wollte. Dass niemand dazu bereit schien, klare Kante zu zeigen und Verantwortung zu übernehmen. Von den vielen im Bundestag vertretenen Parteien hat – ansonsten wäre dieser Artikel an dieser Stelle beendet – wenigstens eine geantwortet. Hurra. Es lebe die Mitbestimmung. Es lebe die Transparenz. Und das Rückgrat ohnehin.


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Aber welche Partei war so mutig gewesen, dass sie sich meiner Fragen angenommen hatte?


War es die sich gegen Kriege und Waffen und Gemeinheiten aller Art positionierende Linkspartei gewesen?


Oder kam das Schreiben von den selbsterklärt mutigen Grünen, die kein Blatt vor den Mund nehmen, wenn es darum geht, sich mit anderen anzulegen, die sich gar in Wäldern festketten und deren Naivität stets grenzenlos scheint?


Oder aber hatte die AfD, die sich selbst im Gewand des tapferen Verteidigers von Vaterland und Bratwurst malt, die sich als dem Bürger nahestehend und stets ehrlich verkauft, sich der Thematik angenommen?


Vielleicht, so dachte ich, stammte das Schreiben auch von den Liberalen, die doch gemeinhin überall dort auftreten, wo es um Menschenrechte geht. Die selbst vor China nicht zurückschrecken. Vielleicht hatten die Männer und Frauen in die Tasten gehauen, die sich um Christian Linder scharren wie um das goldene Kalb?


Oder war es die ehemalige Arbeiterpartei SPD gewesen, die Stellung bezogen hatte? Zwar steuert sie unaufhaltsam, dafür mit umso größerem Elan, gen Abgrund. Aber vielleicht hatte gerade dieser verworrene Enthusiasmus, irgendwo zwischen Vorwärts- und Rückwärtsgang, zu einer unbedacht ehrlichen Antwort geführt? Nein, dachte ich mir und musste innerlich lachen. Nicht einmal mehr prägnante Fehler traut man der Kanzlerpartei noch zu, die vor sich hindümpelt, wie eine verloren gegangene Plastikente im Baikalsee.


Zu meinem Überraschen aber war es keine der sich immer wieder selbst zum Helden stilisierenden Parteien gewesen, die mir geantwortet hatte. Die mit dem größten Mundwerk, dachte ich mir, schienen am Ende doch wenigstens Substanz zu haben. Wer hätte es gedacht.


Am Ende gewährte nur die CDU/CSU Einblicke in ihre Ausrichtung und bezog klar Stellung.

Die Partei, die nach der Fähnchen-im-Wind-Merkel-Phase um ein Profil und um Gewicht wie Vertrauenserneuerung ringt, schien den Mut gefasst zu haben, das „heiße Eisen“, das „Pulverfass Nahost“ auch mit einer konkreten Positionierung anzugehen.


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Im Journalismus soll man nicht werten. In einem Meinungsstück tue ich es dennoch.


Was ich bei der CDU/CSU nicht loben möchte – das transparente Offenlegen der eigenen Position – weil das für mich als Demokraten selbstverständlich ist, beschämt mich dennoch umso mehr, wenn ich an die Weltenretter der Grünen denke. An die strammen Abendlandsverteidiger der AfD. An die unbelehrbaren Klassenkämpfer der Linkspartei. Ebenso wie an die für Freiheit streitenden und stets gut gekleideten Christian's der FDP und auch, wenn ich an die ziellosen ehemaligen Arbeiter der SPD denke. Schade.


Was eigentlich ein spannender Vergleich hätte werden können – die unterschiedlichen Antworten auf dieselben Fragen zu lesen, wäre durchaus gewinnbringend gewesen – ähnelt nun einem Alleingang der vielleicht-eines-Tages-wieder-Konservativen CDU/CSU.


Ohne zu werten, zu analysieren, zu kommentieren teile ich die ungekürzte Stellungnahme der einzigen deutschen Partei, die sich klar positioniert hat. Ob man ihr inhaltlich zustimmen mag oder nicht, das entscheide freilich jeder für sich.


Frage 1: In welchen Grenzen erkennen Sie Israels Existenz- und Verteidigungsrecht vollumfänglich an (vor 1948, nach 1948, bis 1967, ab 1967, …)?

Antwort: Die Palästinensischen Gebiete (Ost-Jerusalem, Westjordanland und Gaza) und der Golan sind seit 1967 von Israel besetzt. Die Bundesregierung und selbstverständlich auch die CDU unterscheidet strikt zwischen dem Gebiet des Staates Israel und den besetzten Gebieten.


Frage 2: Ist Israels Sicherheit für Ihre Partei Staatsräson?

Antwort: Ja. Ein entsprechender Antrag der Fraktionen von CDU/CSU, SPD, Bündnis‘90/Die Grünen und der FDP wurde vom Deutschen Bundestag einstimmig angenommen


Frage 3: Sollte das so sein, würden Sie es im Krisenfalle erwägen, diese Staatsräson auch mit Militärkräften zu unterstützen?

Antwort: Der entsprechende Antrag des Deutschen Bundestages lautet: „Die Gedanken der Mitglieder des Deutschen Bundestags sind bei den Opfern der Angriffe, ihren Hinterbliebenen und allen, die um Leib und Leben bangen. Ihre Solidarität gilt den Menschen in Israel und dem einzigen jüdisch-demokratischen Staat der Welt. Die Sicherheit Israels ist deutsche Staatsräson. Das gilt gerade auch angesichts der massiven Angriffe der vergangenen Tage. Israels Existenzrecht und Sicherheit sind für die Mitglieder des Deutschen Bundestags nicht verhandelbar. Dementsprechend muss Deutschland auf der Grundlage des Völkerrechts Israel alles Notwendige und Erwünschte zur Verfügung stellen."


Frage 4: Wie steht Ihre Partei zu den Zahlungen von Geldern an die Palästinensische Autonomiebehörde (und UNRWA)?

Antwort: Die CDU hat nach dem Terror-Großangriff der islamistischen Hamas auf Israel gefordert, alle direkten und indirekten Zahlungen Deutschlands und der EU an Organisationen der Palästinenser bis auf Weiteres einzustellen. Dies gilt sowohl für staatliche als auch für nicht-staatliche Organisationen, heißt es in einem einstimmigen Beschluss des CDU-Vorstands vom 9. Oktober 2023. „Nur wer sich klar und zweifelsfrei von dem Terror der Hamas und einer die Existenz Israels infrage stellenden Haltung distanziert, kann zukünftig Geld erhalten“, heißt es weiter.


Frage 5: Falls Sie sich für die Zahlungen einsetzen, wie schließen Sie aus, dass diese Hilfeleistungen nicht Gelder bei denen freisetzen, die diese dann in Terror- und Hass investieren können?

Antwort: Die CDU tritt nicht für solche Zahlungen ein.


Frage 6: Was tut Ihre Partei, um die sogenannten Terrorrenten, die das Ermorden von Juden fördern, aktiv zu unterbinden?

Antwort: Als Oppositionspartei können wir das nicht aktiv unterbinden, aber wir sprechen uns dafür aus, dass dies die Bundesregierung tut.


Frage 7: Welche konkreten Schritte plant Ihre Partei, um dem grassierenden Antisemitismus unter muslimischen Zuwanderern zu begegnen?

Antwort: Die CDU fordert Konsequenzen für Menschen, die in Deutschland das Vorgehen der Hamas feiern. Gewaltverherrlichung ist von der Meinungsfreiheit des Grundgesetzes nicht gedeckt. Daher müssen die Sachverhalte, die sich bei entsprechenden Demonstrationen zutragen, aufgeklärt und strafrechtlich geahndet werden. „Wer entsprechend verurteilt wird und nichtdeutscher Staatsbürger ist, muss des Landes verwiesen werden“, verlangt die CDU. Denn wer auf den Straßen der Städte in Deutschland die Gewalt gegen Zivilisten, die Ermordung von Kindern, Frauen und Männern feiert, „tritt wesentliche Grundwerte unseres Zusammenlebens mit Füßen“, heißt es in dem Beschluss des CDU-Bundesvorstands vom 9. Oktober 2023.


Frage 8: Soll zukünftig der Schutz jüdischen Lebens immer weiter erhöht – oder sollen die Ursachen des Hasses bekämpft werden? Eine kurze Erläuterung wäre hilfreich.

Antwort: Die CDU tritt sowohl für die Bekämpfung von Gewalt als auch für die Bekämpfung der Ursachen von Gewalt ein.


Frage 9: Distanziert sich Ihre Partei im Zuge der antisemitischen Aussagen der Spitze gänzlich von der Fridays for Future Bewegung?

Antwort: Die CDU distanziert sich von den antisemitischen Aussagen von Greta Thunberg. Sie erkennt jedoch an, dass sich der deutsche Verband von Fridays for Future dies auch getan hat.


Frage 10: Wie stehen Sie dazu, dass immer mehr Minderheiten (Juden, Jesiden, Kurden, Homosexuelle, Frauenrechtlerinnen, et cetera) darüber nachdenken, ihre Stimme, meist widerwillig, der AfD zu geben, weil sie sich mit ihren Sorgen vor der islamischen Migration alleingelassen fühlen?

Antwort: Die CDU greift in ihrer Politik die Sorgen vor irregulärer Migration auf. Sie steht jedoch entschieden für die Würde jedes einzelnen Menschen ein, während die AfD ein Verdachtsfall für den Verfassungsschutz ist und deren Politik gerade nicht der Schutz von Minderheiten ist.


Frage 11: Wie würden Sie in einem Satz das Verhältnis Ihrer Partei zu Israel beschrieben?

Antwort: Für uns ist das Existenzrecht und die Sicherheit Israels nicht verhandelbar.


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Tom in Israel, Kibbuz Kfar Aza.jpg

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