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Wenn aus Mördern Helden werden

  • Autorenbild: Tom David Frey
    Tom David Frey
  • 5. Juni
  • 7 Min. Lesezeit

Der Judenhass ist wieder da. Nicht nur in Nahost, sondern auch in Europa und Amerika. Nicht trotz, sondern wegen ihrer Identität werden Juden weltweit bedroht und ermordet.


Ich habe es mir zur Aufgabe gemacht, nicht still zuzuschauen. Die vielen Verdrehungen zu entflechten, die Realität abzubilden. In Deutschland und in Nahost. Doch je länger der Hass tobt, desto mehr frage ich mich: Dokumentiere ich nur, was niemand sehen will? Wie soll man sich Gehör verschaffen, wenn es so bequem ist, eine Lüge zu glauben? Und wie lange kann ich meine Arbeit noch fortsetzen, für die ich nicht nur bedroht werde, sondern die mich auch meine Ersparnisse kostet?


Vielleicht ist jetzt der Moment, eine Entscheidung zu treffen.


Tom David Frey, Journalist, Podcaster und Filmemacher, in Israel an der Grenze zu Gaza
Die beiden Opfer: Yaron Lischinsky (30) und seine Freundin Sarah Milgram (26)

Mittlerweile werden Juden nicht mehr nur in Nahost ermordet, sondern auch bei uns im Westen. Schon wieder, muss man sagen.


Der vorläufig letzte Judenmörder feierte seine Blutlust ungeniert vor den anwesenden Kameras. „Free Palestine!“, rief er selbstbewusst, als die Handschellen klickten. Und im Handumdrehen machten die Worte des Mannes – der selbst nicht aus Nahost stammt – aus einem feigen Mörder einen selbstlosen Freiheitskämpfer. Binnen Minuten mutierte der brutale Täter in den sozialen Medien zum gefeierten Helden.


„Seine Hände waren gefesselt, aber weder seine Stimme noch sein Gewissen waren gebrochen“, kommentierte eine reichweitenstarke palästinensische Organisation bei Telegram das Geschehen.


„Der 30-jährige Elias Rodriguez, ein hispano-amerikanischer Mann, wurde als der Held der Operation identifiziert“, formulierte es eine andere Stimme und erntete beim Publikum begeisterte Zustimmung in Form von zahlreichen salutierenden Emojis, Herzen oder nach oben gereckten Daumen.



Judenmord war damals en vogue, heute macht er berühmt.

In dem Moment, in dem aus einem blutrünstigen Mörder ein bejubelter Freiheitskämpfer wurde, sprachen deutsche Medien von zwei „Angestellten der Jüdischen Botschaft“, die ermordet worden seien. Der Fehler ist halb so wild und den meisten fällt er gar nicht auf. Ein Korrespondent muss ja auch nicht wissen, dass es sich beim Ermordeten um einen Angestellten der israelischen Botschaft handelte, nicht irgendeiner jüdischen. Denn schließlich ist rund ein Viertel der israelischen Bevölkerung muslimisch, christlich oder anderen Glaubens. Aber egal: Israeli, Siedler, Zionist, Jude – da blickt am Ende niemand mehr durch. Und ein Jude ist und bleibt ein Jude.


Und dann ist da die Rede über die Herkunft eines der beiden Opfer. Immer wieder wird erwähnt, dass Yaron Lischinsky, der sich gerade verloben wollte, auch einen deutschen Pass besäße.

Einen deutschen Pass? Wäre es nicht möglich gewesen, auch einen Juden einfach als deutschen Staatsbürger anzusprechen?


Ein weiterer Fall von Judenhass: ein ägyptischer Mann in Amerika wirft mit Brandbomben auf Menschen
Ein weiterer Fall von Judenhass: ein ägyptischer Mann in Amerika wirft mit Brandbomben auf Menschen

Der Fall Lischinsky und die damit verbundenen journalistischen Unreinheiten wären verkraftbar, wenn sie nur ein Einzelfall wären. Und wenn es um nichg mehr ginge, als um intellektuelle Wortklaubereien.

Aber schon seit Monaten wirken die Schlagzeilen aus Nahost – sobald vom Juden unter den Nationen die Rede ist – als wären sie von blutigen Amateuren verfasst worden. Von Menschen, die noch keine zehn Bücher über die Region, über Stämme, Glaube, über Krieg und über Frieden gelesen haben.


Währenddessen scheinen viele der Nachrichten, die sich mit dem hierzulande ausufernden Antisemitismus im Gewand der Israelkritik beschäftigen, von Angst geprägt. Angst vor der unheilvollen Achse aus Linksextremen, Islamisten und Rechtsextremen, die alle einen gemeinsamen Feind kennen, den vernichtungswürdigen und dennoch unbeugsamen Juden. Auch Journalisten sind ihre Zielscheibe, so sie nicht ein antiisraelisches Narrativ bedienen.


Aber nicht alle Kollegen klingen in ihren Einschätzungen zur Lage in Nahost eingeschüchtert. Hin und wieder klingt auch die ehrliche Verbitterung des deutschen Urgroßvaters durch. Erleichtert scheint man auf die Region zu blicken, wo man nun endlich den Juden als Täter ausgemacht zu haben scheint. Vielleicht – so könnte man schlussfolgern – kann der eine oder andere Kollege den Juden das Grauen von Auschwitz endlich vergeben.



Journalismus als Wegbereiter für Gewalt

Meistens jedoch ist der Ton sachlich und distanziert. Eben diese Sachlichkeit aber mutiert zum Kernproblem. Jede von Terroristen gezielt verbreitete Falschnachricht, die Juden irgendeine schreckliche Tat anlasten soll, wird durch das Aufgreifen seriöser Medien zur unangefochtenen Tatsache im Gedächtnis vieler Zuschauer.


Ein bisschen Kontext?

Eine gekonnte Einordnung?

Die fragwürdige Quelle hinterfragen?


Nein. Wichtiger als Substanz ist die mutige Schlagzeile, die für Beifall unter Kollegen und die für den einen oder anderen sorglos verteilten Journalistenpreis sorgt. Denn noch immer scheint keine Schlagzeile im intellektuellen Betrieb besser zu verfangen als die vom Juden als Verschwörer, Brunnenvergifter oder Kindermörder.


Trotz zahlreicher Statistiken, die belegen, dass wir auf einen Eisberg zusteuern, findet das überfällige mediale Abrüsten nicht statt. Im Gegenteil scheint es, als erhielte mancher Kollege seine Informationen von Social Media, wo das gezielte Streuen von Desinformation schon vor Jahren erprobt und am Ende perfektioniert wurde.

Das Fabulieren von einer Hannibal-Direktive ist dafür ein gutes Beispiel. Viele nehmen das gezielt gestreute und so plausibel klingende Gerücht islamistischer oder linksradikaler Influencer zum Grund, um die Terroristen der Hamas von ihrem Schlachten reinzuwaschen. Dass am Ende niemand anders an der Ermordung der Juden schuld ist, als die Juden selbst, überrascht nicht einmal mehr.

Wo auch immer die Faktenlage nicht ins Weltbild passt, wird schamlos eine Verschwörung inszeniert.


Das, was man als offensichtlichen Wahnsinn abtun könnte, schafft nichtsdestotrotz eine Stimmung, die den Weg ebnet für Verdrehungen und Unwahrheiten – und am Ende für Gewalt.

Das faktenfreie Gerede von einem „Genozid“ konnte sich nur durchsetzen, weil Social Media zuvor Tatsachen durch emotionale Manipulation ersetzt hatte, die auch bei Journalisten verfing.

Auch das Gerede von einer "Hungersnot" stützt sich in weiten Teilen auf KI-generierte Bilder oder auf solche, die Menschen zeigen, deren ausgemergelte Körper nicht auf Israels Politik zurückzuführen sind, sondern auf schwerwiegende Krankheiten.


Emotional aufgeheizt wird dann Israel aufgefordert, den Krieg in Gaza doch endlich zu beenden oder wenigstens die Art des Kriegsführung zu ändern. Selbst die CDU scheint unter Friedrich Merz und Johann Wadephul eingeknickt zu sein. Kritik an Hamas wird leise geäußert, Israel hingegen laut zum Aggressor gemacht. Für die Drehbuchschreibe in Teheran und Gaza läuft alles nach Plan.


Dabei ist verständlicherweise von vielen herbeigesehnte Frieden nur einen Steinwurf weit entfernt: Anstatt jüdische Geiseln zu foltern, könnte man sie freilassen und Netanyahu die Kriegsgrundlage entziehen.




Nicht jeder kann kämpfen. Aber jeder kann die, die kämpfen, unterstützen!




Wenn Europa Frieden will, kritisiert es die Falschen

Kein europäischer Partner wagt es, den türkischen de facto Autokraten Erdogan, der Hamas seit Jahren offensiv unterstützt, zu bedrängen. Schließlich sitzt Europas mächtigster Staatsmann an den Schalthebeln der Flüchtlingsströme.


Auch käme kein Regierungschef auf die waghalsige Idee, sich gerade jetzt mit dem katarischen Finanzier des Terrors zu überwerfen, wo doch die heimische Öl- und Gasversorgung nicht gesichert ist und die Wirtschaft aufgrund einer fehlgeleiteten Politik genau jetzt Finanzspritzen bitter nötig hat.


Und warum sollte man als Europäer, wo man doch mühselig finanzielle Kanäle nach Teheran geschaffen hat, das Land in die Mangel nehmen, das den Nahen Osten seit Jahren in Blut ertränkt, sich aber medial geschickt zu inszenieren weiß?


Kurzum: Israel unter Druck zu setzen ist billiger, bringt obendrein Applaus und als i-Tüpfelchen unbedarfte Wählerstimmen.


Leider ist ein Ende der schlechten Nachrichten nicht in Sicht.

Es gibt da draußen niemanden, der einschreitet und der dem Wahnsinn, der Dummheit und der Boshaftigkeit ein Ende setzt.

Wie so oft in den Momenten, die später in Geschichtsbüchern landen, entscheidet statt einer Person von außen heute jeder selbst darüber, in welche Realität der Alptraum am Ende mündet.



Müde vom Kämpfen – obwohl es um alles geht

Am Ende sehe ich mich also wieder aus Nahost berichten. Schlagzeilen erklären. Vorwürfe einordnen. Aber die Stimmen von Mut- und Kraftlosigkeit in meinem Kopf werden immer lauter.


Sophie von der Tann (ARD, derzeit Studio Tel Aviv) erreicht mit ihren emotionalen Kommentaren und voreingenommen wirkenden Einordnungen ein Millionenpublikum. Im Namen der wohl renommiertesten Nachrichtensendung Deutschlands werden Beiträge in die Welt gesendet, die das Narrativ der Terroristen befördern und die sich nicht selten auf Informationen berufen, die von denen stammen, die Juden weltweit für vogelfrei erklärt haben. Und deren Aussagen am Ende selten etwas mit dem zutun haben, was Journalisten normalerweise als Tatsache anerkennen würden.


Währenddessen bereitet die renommierte taz einem Publizisten die Bühne, die dieser nutzt, um die israelische ESC-Sängerin Yuval Raphael als Künstlerin zu diskreditieren und aus ihr eine israelische Propagandistin zu machen.

Angemerkt sei an dieser Stelle, dass die junge Sängerin auch Überlebende des größten Massenmordes an Juden seit den Nazis ist. Yuval Raphael überlebte das palästinensische Schlachten des 7. Oktober 2023 nur deshalb, weil sie sich unter den ermordeten Körpern ihrer Freunde versteckte.


Ist es also nicht bereits zu spät?

Was bringt die Stimme eines Einzelnen, zumal ohne Redaktion im Rücken, die dem Gesagten Gehör verschaffen könnte?

Was bringen Zwischenrufe, wenn auf den Sofas etlicher Talkshows nur die sitzen, die das sagen, was ein von Juden genervtes und von Social media manipuliertes Publikum hören möchte?

Ist außer Beleidigungen und Morddrohungen irgendetwas drin für Menschen, die gegen Judenhass in Nahost und Zuhause jetzt noch den Mund aufmachen?


Nicht nur mein Budget ist aufgebraucht – mittlerweile scheint auch meine Kraft erschöpft.

Immer wieder berichtete ich seit dem Überfall auf Israels Bevölkerung im Oktober des Jahres 2023 von vor Ort. Ständig befand ich mich dabei nicht nur in Reichweite von Kugeln und Raketen, sondern auch im Kampf mit Judenhassern, die jeden mundtot machen wollen, der es wagt, den jüdischen Staat nicht zu verteufeln. Von Beginn an zahle ich dafür, etwas zu berichten, was niemand hören will und mich beleidigen und bedrohen zu lassen. Und trotzdem habe ich weitergemacht. Bis die Erschöpfung dann zu Beginn des Jahres zu groß wurde. Ich zog den Stecker und mich selbst zurück in die Stille, die sich so viel besser anfühlt als der stetige Sturm aus Hass und Lügen und Desinteresse und Falschinformation und Nicht-Einordnung und Shadowbanning, der da draußen tobt.


Seit Wochen nun nutze ich diese Ruhe. Nicht, um mich vom Thema abzuwenden. Stattdessen lese ich Bücher über Nahost, über das Judentum, über das Christentum, über den Islam, über Waffengattungen und über urbane Kriege. Ich nehme an Kursen, Weiterbildungen und an Veranstaltungen über Politik und über Internationales Recht teil.

Nur noch nebenher beobachte ich, wie die palästinensische Intifada auch bei deutschen Nachrichtenhäusern und in den Köpfen zahlloser Promis, Intellektueller und Parteien Einzug hält.

Und nur nebenbei lese ich zahllose Berichte über das blutige Resultat des zuerst gebilligten und mittlerweile gepredigten Judenhasses bei uns Zuhause.


Ist jetzt die Zeit gekommen aufzugeben? Oder kratze ich ein Budget zusammen und mache irgendwie weiter, obwohl der Lohn eine Bürde ist und die Aussicht auf Wandel gering?





Anmerkung

Der Text entstand am Tag nach der Ermordung von Yaron Lischinsky und seine Freundin Sarah Milgram.

Seither kam es zu etlichen weiteren Übergriffen auf Juden, unter anderem zu einem Brandangriff auf Menschen, die auf die von Hamas entführten Geiseln aufmerksam machten. Informationen zum aktuellen Angriff und ein interessantes Hintergrundgespräch gibt es in meinem Podcast. Aufgegeben habe ich scheinbar noch nicht.

3 Comments


foerster_daniela
Jun 06

Tom danke für deinen unermüdlichen Dienst.

Ich kann verstehen, dass du langsam ausgebrannt bist. Doch ich weiß, dass unser großer guter Gott dich und deinen Dienst sieht.

Ich bete sehr gerne für dich.

Sei gesegnet.

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jonitaviv
Jun 06

Vielen Dank für Deinen Einsatz, es ist nicht sinnlos. Wir feiern und schätzen jeden einzelnen, der uns nicht alleine lässt!

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infocaspi
Jun 05

Bitte nicht aufgeben!!!!!

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Tom David Frey, Juli 2024.jpeg

Die andere Perspektive.

Einseitiger Journalismus, wohin das Auge auch blickt. Ob die Tagesschau in Deutschland, Le Monde in Frankreich, die New York Times in den Vereinigten Staaten oder El País in Spanien. Man findet dieselben Nachrichten und dieselben Perspektiven.

Und in vielen alternativen Medien ist es nicht anders: fast alle wollen dagegen sein, grundsätzlich.

Im Gegensatz zu diesen Medien bleibe ich meinem Grundsatz treu, es niemandem recht zu machen, außer meinem Gewissen. Mal stehe ich deshalb auf der einen, mal auf der anderen Seite. Doch meistens irgendwo dazwischen. Mit einem nuancierten Blick baut man sich vielleicht keine große Fangemeinde auf, bleibt allerdings der Unabhängigkeit treu. Nach dem kurzen Motto: Freiheit aushalten.

Tom David Frey, Fotoshooting 2024, 2.jpg

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