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  • AutorenbildTom David Frey

Tod und Terror: So denkt Deutschland über den Terror in Israel

Sie überfallen ein Land. Sie vergewaltigen Mädchen und Frauen. Sie foltern und demütigen. Sie schlachten Rentner und Kinder in ihren Wohnzimmern ab und schänden die Leichen ihrer Opfer. Die Rede ist von Hamas, der Terrororganisation, die den Gaza-Streifen seit Jahren beherrscht und die Israel überfallen hat. Grenzen eingerissen. Den Tod im Gepäck.


Israels Sicherheit, die fünfzig Jahre nach dem Yom Kippur Krieg abermals dramatisch versagte, sei deutsche Staatsräson – so brachte es die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel einst auf den Punkt.


Was ist an den schönen Worten dran? Und inwieweit stützt die demokratische Gesellschaft die Worte, auf die sich auch die aktuelle Regierung stützt? Drei Tage in Berlin malen ein ganz eigenes Bild der Beziehung Deutschland zu Israel.


Symbolbild

Die Geschehnisse in Israel rütteln auf. Die schrecklichen Bilder tun weh. Anzusehen, wie Leichen geschändet und Zivilisten misshandelt werden, ist wohl für jeden eine Belastung, der nicht jahrelang als Kriegsreporter in den schlimmsten Gegenden der Welt unterwegs war. Man möchte wegschalten, schafft es aber nicht. Und auch die Politik fühlt sich an die eigene Vergangenheit erinnert. An eine Zeit, in der es nicht nur der Plebs, sondern gerade auch die Bildungselite Deutschlands war – also Professoren, Doktoren und Studenten – die den brutalsten Völkermord der Geschichte beging.

Bis heute trägt Deutschland deshalb eine besondere politische Verantwortung.

Diese allerdings wird allzu oft in eine seltsame Selbstbeweihräucherungskultur umfunktioniert. Man klopft sich dafür auf die Schulter, wie gut man darin wäre, die Geschichte "aufzuarbeiten". Man ist stolz darauf, aus den Übeln "gelernt" zu haben. Man beherrscht die Kunst der "Vergangenheitsbewältigung" so flüssig, dass man – ganz in alter deutscher Kaisermanier – anderen Ländern erklärt, wie der Hase läuft.


Es ist also zu erwarten, dass gerade in Deutschland die Menschen bewegt sind von dem Grauen, das Israel mit dem Überraschungsüberfall auf die eigene Zivilbevölkerung erreicht hat.



Berlin, Berlin


Aus beruflichen Gründen fliege ich nach Berlin. Ich sitze im Flugzeug und poste das typische Trageflügel-Bild des Airbus, der sich im Flughafengebäude spiegelt. Noch ist die Welt scheinbar in Ordnung.


Erst in Berlin bemerke ich, dass mir die Alarm-App, die auf die israelische Zivilbevölkerung abgeschossene Raketen meldet, im Hintergrund hunderte Benachrichtigungen geschickt hat. Mein Handyakku geht unerwartet leer, weil mein Display über Stunden einfach nicht mehr aufhört, aufzuleuchten. Ohne Handy in Berlin.


Am nächsten Tag kommt es dann zu einer großen Kundgebung vor dem Brandenburger Tor. Solidarität mit Israel. Solidarität mit den Hinterbliebenen und den Millionen, die in Angst ausharren. Die einen Krieg aufgezwungen bekommen haben. Eine feine Sache.


Demonstration am Brandenburger Tor am Tag nach der Infiltration

Auf der Bühne, auf der sich eine große Fahne Deutschlands und eine des Staates Israel treffen, sprechen verschiedene Menschen. Vertreter von Organisationen ebenso wie politische Persönlichkeiten aus Deutschland, Israel und den Vereinigten Staaten. Aber auch der Botschafter Frankreichs ist gekommen und viele weitere hochrangige Vertreter aus Gesellschaft und Politik.


Eines fällt auf. Ob sich nun Petra Pau (Die Linke) auf der Bühne darum bemüht, ihr Mitleid und ihre Solidarität auszudrücken – oder ob Franzsika Giffey (SPD) sich die Blöße gibt. Es gibt Gegenwind aus dem Publikum. Es scheint, als könne man die leeren Phrasen nicht mehr hören: Das Geschwurbel von Solidarität. Das Gerede von denen, die Israel am liebsten verurteilen, die die israelischen Streitkräfte seit Jahren mit den Terroristen der Hamas gleichsetzen, wenn sie in Konflikten "beide Seiten" zur Deeskalation aufrufen.


Rund 2.000 Menschen stehen an diesem Tag vor dem Brandenburger Tor, in einem Meer aus Blau-Weißen Fahnen. Manche mit Tränen in den Augen, als am Ende die Ha'Tikva gespielt wird. Eine junge Frau bricht vor mir schluchzend in sich zusammen. Vielleicht hat auch sie erfahren, wie so viele andere, dass ein Verwandter unter den Entführten ist, die vor den Kameras vergewaltigt und gedemütigt und auf vielfältige Weise schwer misshandelt werden.



Was ist Deutschland wichtig?


Ein neuer Tag. Der nächste Tag. Heute ist es regnerisch und bewölkt in Berlin. Wieder muss ich zu einem Termin. Ich habe Zeit und schlendere entspannt die vier Kilometer, die mein Hotel am Kurfürstendamm vom Brandenburger Tor entfernt liegt, durch den Park. Dort will ich dann eine Bahn nehmen.


Schon lange, bevor ich das Brandenburger Tor erreiche, höre ich laute Durchsagen aus der Ferne hallen. Ich höre Musik. Menschen. Alles klingt nach einer weiteren Demonstration. Ich beschleunige und google. Es habe wohl bereits eine regierungskritische Versammlung gegeben, auf der vereinzelt auch AfD-Fahnen aufgetaucht seien.

Ich steuere langsam auf das Brandenburger Tor zu. Dann fällt mir, endlich den Blick vom Smartphone hebend, auf, dass um mich herum sämtliche Menschen in Schwarz-Gelb gekleidet unterwegs sind.


Hat der BVB eine Meisterschaft gewonnen? Spielen die überhaupt im Moment?


Nein, es sind Angestellte der Deutschen Post und DHL.

Hunderte schlendern, wie ich, in Richtung Brandenburger Tor. Viele mit Wurst und Pommes in der Hand. Die Stimmung scheint ausgelassen.

Man demonstriert mit Verdi-Fahnen für die üblichen Verdächtigen. Es werden immer mehr Posthörner, die mich so sehr ausbremsen, dass ich am Ende etwa eine Viertelstunde zu spät zu meinem Termin komme.


Als ich dann meinen Termin beende und einen Polizisten frage, wie viele Menschen denn demonstriert hätten, schätzt er die Menge auf 25.000 bis 30.000 Menschen.


Obwohl schwer zu erkennen, stehen hier Post und DHL Mitarbeiter so weit das Auge reicht

Wie verhielt sich Deutschland in der nahen Vergangenheit?


Nun gut. 2.000 gegen bis zu 30.000. Ordentliche Verträge scheint man mehr zu schätzen, als man sich historisch und menschlich verpflichtet fühlt. Andererseits lässt sich das schlecht vergleichen.


Eine Situation fällt mir allerdings ein, die einen guten Vergleich darstellt. Wie steht es um die Demonstrationen zu Beginn des Ukraine-Kriegs, als Putin den westlichen Nachbarn militärisch überfiel?


Rund 100.000 Menschen zog es da spontan und umgehend auf die Straßen vor dem Brandenburger Tor.


2.000 für gekidnappte, ermordete und geschändete Juden.

30.000 für bessere Verträge bei der Arbeit.

100.000 für ein Land, von dem sie (die Ehrlichkeit gebietet das) bis dato fast nichts wussten.


Krieg ist scheinbar nicht immer wirklich schlimm.


Auch bleiben die Entrüstungsstürme in der sonst so aktiven linken Szene aus. Menschenketten, die sonst eifrig gebildet werden, finden sich keine. Omas gegen Rechts stolzieren nicht mit Plakaten auf und ab, wie sie das sonst gerne tun, warnend vor Antisemitismus. Verbotsforderungen gegen Samidoun werden bei Twitter nicht eingeklagt. Zur Erinnerung: Samidoun ist die islamistische Organisation, die in Berlin-Neukölln freudig Süßigkeiten verteilte, um die brutale Ermordung, um die Vergewaltigungen und Entführungen zu feiern. Auch bedrohten Teilnehmer der Kundgebung laut Medienberichten ein Kamerateam, das die Festlichkeiten filmte. Klar, nach außen möchte man seriös scheinen. Man kämpft doch für Menschenrechte. Die sonst laute linke Szene scheint das Spiel mitzuspielen.


Was ist also an den schönen Worten der Staatsräson dran? Und inwieweit stützt die demokratische Gesellschaft die Worte, auf die sich auch die aktuelle Regierung stützt? Drei Tage in Berlin malen ein ganz eigenes Bild der Beziehung Deutschlands zu Israel. Gut, dass wir keine totale Demokratie haben.

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Tom in Israel, Kibbuz Kfar Aza.jpg

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