Wer gewinnt den Krieg in Gaza?
Seit fast einem Jahr tobt ein erbitterter Kampf zwischen Israel und der Hamas. Bilder von Tod und Zerstörung gehen um die Welt. Aber wer gewinnt den Krieg, der die Menschen weltweit beschäftigt?
Seitdem am 7. Oktober 2023 die islamistische Terrororganisation Hamas Israel überfiel und dabei das größte Massaker an Juden seit dem Holocaust anrichtete, ist eingetreten, wovor sich viele gefürchtet haben: Es herrscht offener Krieg. Rund zwei Wochen nach dem blutigen Pogrom, bei dem Frauen geschändet, Menschen lebendig verbrannt und selbst Kinder brutal ermordet wurden, marschierte die israelische Armee in Gaza ein. Seither tobt im Küstenstreifen ein erbitterter Krieg. Und obwohl Krieg neben Leid und Tod , analytisch gesprochen, die Durchsetzung politischer Ziele mit militärischen Mitteln bedeutet, trauen sich selbst Experten nicht, einzuschätzen, wer den Krieg in Gaza gewinnt.
“Den Krieg gewinnen wir”, betont Arye Shalicar, ehemaliger Sprecher des israelischen Militärs. “Am Ende schalten wir sie [Anm.: Hamas] einen nach dem anderen aus. Und in dem Sinne gewinnen wir den Krieg.”
Hamas’ politisches Ziel am 7. Oktober war eindeutig: nicht weniger als die Zerstörung des jüdischen Staates setzten sich die Islamisten zum Ziel. Das Mittel der Wahl war dabei der Flächenbrand, der eine in einem Schockzustand gefangene israelische Gesellschaft gleich an mehreren Fronten hätte treffen sollen. So spekulierte die Terrororganisation auf ein Eingreifen der mächtigen libanesischen Terrormiliz Hisbollah, deren Mannstärke und Bewaffnung die mancher NATO-Mitgliedsstaaten übertrifft und die Israels Nordgrenze bedroht. Außerdem hofften die Terroristen darauf, auch innerhalb Israels und des Westjordanlandes einen blutigen Aufstand anzetteln zu können – Araber gegen Juden. Die voraussehbar harte Reaktion Israels auf den Krieg sollte die unter dem ehemaligen US-Präsidenten Trump begonnene Tauwetterperiode in den israelisch-arabischen Beziehungen zum Erliegen bringen. Auch die sich anbahnende Normalisierung mit dem mächtigen Königreich Saudi-Arabien wollten die Terroristen so verhindern. All das mit dem Ziel, Israel zu isolieren und eines Tages vollständig zu vernichten.
Die politischen Ziele von Hamas können bisher als gescheitert angesehen werden. Die libanesische Hisbollah trat zwar nur einen Tag nach dem Pogrom des 7. Oktober in die Kampfhandlungen ein, indem sie begann, Israels Norden mit Drohnen und Raketen unter Beschuss zu nehmen, jedoch blieb der Mehrfrontenkrieg aus. Und trotz großer Spannungen brach weder eine dritte Intifada aus, noch konnte die erst kürzlich erfolgte Normalisierung der Beziehungen zwischen Israel und fünf arabischen Nationen rückgängig gemacht werden.
Indes formulierte Israel drei politische Kriegsziele: die von Hamas genommenen Geiseln befreien, die Terrororganisation zerstören, die eigene Grenze gegen Überfälle absichern. In allen drei militärischen Objektiven scheint Israel nach rund einem Jahr des Krieges Erfolge aufzuweisen. Mehr als die Hälfte der Geiseln konnten befreit werden. Die militärischen Möglichkeiten von Hamas erscheinen zunehmend erschöpft. Außerdem errichteten die israelischen Streitkräfte eine Pufferzone und nahmen das Gebiet ein, das den Gazastreifen mit Ägypten verbindet, um die Terroristen daran zu hindern, ihre Waffenbestände wieder auffüllen zu können.
Dennoch: Obwohl Israel die Schlacht am Boden klar gewinnt, verliert der jüdische Staat den Krieg um die öffentliche Meinung.
“Sie treffen den emotionalen Nerv von vielen Menschen im Westen”, versucht sich der ehemalige Armeesprecher Shalicar die schwierige Lage im Krieg um die Herzen zu erklären und verweist auf die mächtigen Propagandaapparate aus Ländern wie Katar, des Iran und der Türkei, die mit besonders israelkritischen und nicht selten hoch emotionalen Beiträgen auffallen. “Terroristen halten sich nicht in Militärkasernen auf, sondern in zivilen Bereichen. Somit kommt es auch immer wieder zu zivilen Kollateralschäden, was tragisch ist. Aber das ist die Situation im asymmetrischen Krieg, den die Terroristen provozieren und den sie genauso haben wollen, in dieser Bildstärke.”
Der Israel-Gaza-Krieg scheint bisher nur Verlierer zu kennen.
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